| Heute denken – morgen fertig Der HBK-Rundgang ist  wieder ein wunderbares Schaulaufen der Kunst und des Designs Der Rundgang ist wohl so etwas  wie eine idealtypische Ausstellung. Überall findet sich etwas, was einen  anregt, aufregt, berührt, infiziert. Weil hier immer spürbar ist, dass es in  diesen Künstler brennt. Sie wollen sich ausdrücken, etwas rauskotzen oder einfach  Schönheit schaffen. Irgendwo am Wegesrand steht ein Schild: Freiheit und  Wunderkammer ist darauf zu lesen. Es ist sicher nicht so gemeint, aber es ist  wie eines dieses Reklameschilder auf dem Jahrmarkt, das einen großen Magier  anpreist. Der Unterschied ist nur, hier wird das Versprechen gehalten. 
 Das Schöne am Rundgang ist auch:  Hier werden nicht nur spannende künstlerische Positionen gezeigt, sondern oft  stehen auch die Künstler selbst in der Nähe ihrer Arbeiten und man kommt in ein  zwangloses Gespräch. Wie mit Ae Hee Lee aus der Klasse von Heinz-Günter Prager.  Sie hat eine Arbeit über ihr Leben in Korea gemacht. 25 Jahre lebte sie dort, bevor  sie nach Braunschweig kam. Jetzt sitzen mitten im Raum 25 winzige, rote  Figuren, für jedes Lebensjahr eine, auf blauen Bauklötzen. Sie staunen, denken,  warten. Man muss schon in die Hocke gehen, um wirklich in die Welt dieser  kleinen Frau einzutauchen. Aber dann sieht man auch das Glitzern in ihren  Augen. 
 25 Jahre im Leben von Ae Hee LeeFotos: Tim Meyer
 Stark sind auch die Arbeiten von  der Prager-Schülerin und Diplomandin Su Jung Kim, weil sie so still und zurückhaltend  sind. Kunst, die sich nicht aufdrängt, sondern entdeckt werden will. So hat sie  etwa von einem fast raumhohen Heizkörper eine Art Abdruck gemacht. Nur ein  kleines Relief, Weiß auf Weiß. Bei einer anderen Arbeit hat sie Nägel in die  Wand geschlagen und ihnen einen Schlagschatten mit Bleistift gezeichnet. Als  gebe es irgendwo eine unsichtbare Lichtquelle. Das ist kontemplative Zen-Kunst.Es gibt Klangkunst und die  liebevollen Sample-Arbeiten von Manuel Metzner in der Montagehalle, im ARTMAX  und einem Gebäude in der Blumenstraße sind Ausstellungen, das Darstellende  Spiel präsentiert sich, es werden Performances aufgeführt und durch die Stadt  pendelt ein kostenloser Bus-Shuttle. Ein überbordendes Programm.
 Für Barbara Straka, Präsidentin  der HBK Braunschweig, macht der Rundgang die besten Ergebnisse aus allen  Studiengängen sichtbar und erfahrbar. „Das ist immer voller Überraschungen.“  Dabei gehe es auch darum, mit Missverständnissen aufzuräumen. Die Studenten  stünden eben nicht nur vor irgendeiner Staffelei und malen Akte, sondern an  dieser Kunstuniversität gebe es unter anderem mit Industrial  Design/Transportation Design Studiengänge, die mitunter eng mit Unternehmen  zusammenarbeiten. „Die Menschen wissen oft nicht, dass wir auch  Automobil-Design machen“, sagt Barbara Straka.
 Gerade deswegen sei die HBK jetzt  auch mit der „Werkschau Gestaltung“ in die ehemalige Bücherei, Hintern Brüdern,  gezogen. Man wolle eben richtig in die Stadt hinein.
 So sind dort Arbeiten aus den  ersten Semestern zu sehen, bei denen sich die Studenten mit Buchobjekten beschäftigen  oder Porträtstudien betreiben. Aber auch Diplomarbeiten wie etwa von Designer  Stephan Rinck, der ein Konzept für Büros und ein Restaurant auf einem über 200  Meter hohen Strommast entwickelte. Oder Kommunikationsdesigner Stefan Gunnesch,  der sich intensiv mit der Haut auseinandergesetzt hat und aufwendige  Künstlerbücher produzierte. Manchmal sind eben die Übergänge von Design und  Kunst fließend. Das macht den Rundgang so interessant. Es gibt die ästhetische  Gestaltung mit unmittelbarem Nutzen zu sehen und die wilde Kunst. Wer hier  nicht bis zum Rand angefüllt wieder nach Hause geht, der hat die Augen nicht geöffnet.
 
 Artikel als PDF-Datei Braunschweiger Zeitung, 25. Juni 2009 
 
 Über Retter ohne Ziel Christian  Sievers setzt im Kunstverein Wolfenbüttel einer Sicherheits-Paranoia Komik  entgegen Wenn überall Angst  ausbricht – Angst vor einem Verbrechen oder gar einem terroristischen Anschlag  – werden die Sicherheitsvorkehrungen im eigenen Land verstärkt oder eine  Weltmacht marschiert mal eben in ein Land ein, weil dort ja überall diese bösen  Massenvernichtungswaffen stecken. Der aus Braunschweig stammende und jetzt in  Berlin lebende Künstler Christian Sievers lässt dagegen Hilfsmaßnahmen ins  Leere laufen und zeigt in seiner Ausstellung „Den Ausnahmezustand proben“ im  Kunstverein Wolfenbüttel, wie Hysterie auch mit Komik begegnet werden kann.Ziellos dreht ein  Feuerwehrwagen in dem Video „Rettungsring (Osteringersleben)“ in einem Kreisverkehr  irgendwo in einem bewaldeten Gebiet seine Runden. Die Sirene plärrt. Alle  Zeichen stehen auf Notfall, aber nichts passiert. Vielleicht machen sich die Mädels  und Jungs von der Feuerwehr auch nur einen Spaß und probieren ihren  Einsatzwagen ungestört aus. Oder sind sie jetzt doch aufgrund einer diffusen  Angst verrückt geworden und drehen sich hier endlos im Kreis wie ein Tiger im  Zoo, der am Hospitalismus erkrankt ohne Unterlass hinter seinen Gitterstäben  hin und her läuft? Fakt ist, gerettet wird hier niemand. Irgendwann wendet sich  der Sicherheitsfanatismus eben auch gegen die, die unsere Sicherheit  gewährleisten sollen.
 Christian Sievers hat  diese Idee eines sinnlosen Einsatzes vorangetrieben, ein weiteres Video mit  „Rettungsring (Schöppenstedt)“ produziert und eigentlich wollte er auch bei  einem Künstleraustausch in Dubai eine Kolonne von Polizeiwagen im Kreis fahren  lassen. Das klappt zwar nicht, aber jetzt drehen die Autos in einer Fotomontage  zwischen bombastischen Hochhäusern ihre Kreise. Noch ein Karussell für  gelangweilte Beamte. Schön, wenn ein Künstler es schafft, dem Betrachter immer  wieder rätselhafte Ereignisse zu präsentieren, die gleichzeitig ein Lachen  provozieren.
 Der HBK-Absolvent zeigt  nicht nur Feuerwehrmänner unterwegs in ihren roten Autos, sondern auch wenn sie  ihre Hochsicherheits-Schutzanzüge für die verschiedensten  Gefahrgutstoffe überziehen. In der Serie „Freundschaft in der Feuerwehr“ sind  die Lebensretter immer zu zweit zu sehen, umarmen sich oder reichen jemandem  die Hand. Aber es geht hier nicht nur um Verbrüderung, denn überall sprießen  Flammen aus Beinen, Händen oder dem gesamten Körper, so als verflüchtigte sich  hier der Retter, weil er bereits mit einer bösen Chemikalie in Kontakt gekommen  ist. Doch die Feuerwehrmänner lassen sich nichts anmerken, posieren weiter für  dieses Bild von Freundschaft und Teamgeist.
 Neben einem lakonischen  Humor, der in Titeln wie „Ich trage den Anzug so oft es geht“ oder „Derek  wird kontaminiert“ steckt, sind die Arbeiten ein ästhetisches Ereignis,  weil Christian Sievers hier eine simple und doch innovative Technik erfunden  hat. Mit einem Tintenstrahldrucker druckte er die Motive aus und bearbeitete  sie anschließend mit Wasser. Damit löst er die Konturen der Figuren auf und  führt die Körper einen undefinierbaren Zersetzungsprozess zu.
 Christian Sievers  beeindruckt mit seinen Arbeiten auch deswegen, weil er sich nicht auf eine  künstlerische Methode  festlegt - zu  sehen sind neben den Videos und Tintelstrahldrucken etwa auch Objekte aus  reflektierendem Stoff - und sein Thema als offenen Assoziationsraum versteht. Der  Ausnahmezustand kann auch eintreten, wenn man zu viel Alkohol im Blut hat, wie  in der Arbeit „Betrunkenes Mädchen“ aus der Serie „Umgekehrte Szenen“.
 Dass letztendlich alles  Hochrüsten der Sicherheitsvorkehrungen irgendwann ein Ende hat, bringt die  Arbeit „Alarmglocke“ noch einmal auf den Punkt. Auf diesem feuerroten Notfallsignal  hat ein Vogel sein Nest errichtet. Ob die Alarmglocke außer Betrieb ist, oder  es dem Vogel gleichgültig ist, wenn sie zu donnern beginnt, wird nicht klar. Sicher  ist nur, die Natur erobert sich ihren Platz zurück. Und dann ist wieder Schluss  mit der Paranoia.
 
 Artikel als PDF-Datei Braunschweiger Zeitung, 16. April 2009 
 
 Schmerzende Grenzüberschreitungen Die Bilder von Hanna  Nitsch im Kunstverein Wolfenbüttel verstören Aaron hat sich selbst mit der Armbrust  in den Kopf geschossen. Von seiner Stirn läuft eine rote Flüssigkeit mitten  über sein Gesicht. Der Kopf ist nach unten geneigt, die Pupillen nur zu  erahnen, der Blick leer. Auch die Brustwarzen des kleinen Jungen sind von einem  roten Kreis umrundet. Und in diesem Moment schmerzen die eigenen Phantasien  mehr, als das, was in dem Bild zu sehen ist. 
 Gewalt, Sexualität und  Machtspiele sind die Themen von Hanna Nitsch. Diese Erkenntnis kommt nicht langsam,  sondern wie ein Überfall bei Tageslicht. Wer den Kunstverein Wolfenbüttel betritt,  bekommt direkt am Eingang einen Faustschlag ins Gesicht. Im ersten Raum hängen  vier großformatige Bilder – knapp 2 Meter mal 1,5 Meter – von der Decke. „Elisabeth“  blickt auf den Betrachter hinunter – lasziv, ernst. Auf einem Bild ist das  kleine Mädchen nur mit einer Unterhose bekleidet, hat den Kopf zur Seite  geneigt und den Körper nach vorne gebeugt – ein Anblick, der den Jugendschützer  entschieden „Pornographie“ rufen lässt. Entziehen kann sich ihr keiner, aber  sie ist kein Objekt, sie ist nicht verfügbar. So entschieden wie sie schaut,  sagt sie: Meine Kindheit und meine Unschuld gehören mir. 
 Die Künstlerin schafft es, die  schlimmsten Phantasien im Betrachter auszulösen, aber die Macht ihren Figuren  zu überlassen. Auch wenn sie nicht aufklärt, ob Augen und Münder des Kindes nur  blutrotgeschminkt oder blutunterlaufen sind. Irgendetwas passiert gerade im  Kopf des Kindes, aber gebrochen ist dieser kleine Mensch nicht.Aber vielleicht will Hanna Nitsch  den Betrachter auch einfach nur in eine Sackgasse führen. Vielleicht hat sie gerade  den Moment eingefangen, als die Kinder vor einem Spiegel spielen. Aaron hat  sich mit roter Farbe bemalt und spielt toter Mann, Elisabeth ist die Schönheitskönigin  mit Krone und lacht sich im nächsten Augenblick kaputt, weil sie bei den geschminkten  Augen etwas zu dick aufgetragen hat und das alles doch eher lustig aussieht.
 
 Fotos: Tim Meyer Hanna Nitsch malt mit Tusche.  Auch an dieser Technik liegt es, dass in den Arbeiten nichts manifestiert wird,  sondern immer offen bleibt. Die verlaufenden Farben suggerieren einerseits ein  Verschwinden, andererseits ein Entstehen. Als würden sich erst langsam die  Konturen herausbilden – wie der Charakter eines Kindes.Unheimlicher als „Elisabeth“ ist  die Arbeit „Strawberryfields“. In 17 kleinformatigen Bildern wird in braunen  Sepiatönen eine Geschichte angedeutet, die sich auch der Filmemacher David  Lynch ausgedacht haben könnte. Ein dunkler Wald, ein Häuschen mit einem ausgeschachteten  Grab und ein Kind, das einem Affen den Kopf abreißt. Die Künstlerin öffnet eine  düstere Erzählung, die nur Fragen aufwirft und keine beantwortet.
 Einfach nur gefallen will Hanna  Nitsch mit ihren Arbeiten nicht. Die Braunschweiger Künstlerin überschreitet  Grenzen, immer genau einen Schritt zu weit, damit es schmerzt, aber gerade noch  zu ertragen ist. Deswegen sind die Bilder so gut. Wenn Kunst allzu süßlich und  gefällig daherkommt, macht sie sich vielleicht gut über dem Wohnzimmersofa,  aber sie setzt nichts im Betrachter in Bewegung. Und bei Hanna Nitsch steht  nichts still.
 
 Artikel als PDF-Datei Braunschweiger Zeitung, 3. Februar 2009 
 
 Im  Glücks-Gartenwächst kein Gras mehr
  Lehramtsstudenten aller Jahrgänge stellen  im Ateliergebäude "Brauhaus" Fotoarbeiten aus / Panoptikum der Stile  und Themen SIEGEN. (wp) In  Siegen werden keine Künstler ausgebildet. Aber was die Studenten in der  Ausstellung "Brauhausfotografie 16" zeigen, ist originelle Fotokunst.Ein  dicker Mann und sein Hund stehen an einer Straße. Verschwommen im Hintergrund  ein Förderturm. Bei Fördertürmen im Kunstkontext kommt schnell die Assoziation  Bernd und Hilla Becher. Die Düsseldorfer Künstler setzten jedoch die  Industrieriesen bildfüllend, dokumentarisch in Szene. Judith Samen lacht:  "Ich habe es eigentlich nicht so gewollt, aber man kann das Bild durchaus  als Becher-Parodie sehen."
 Die Siegener Professorin für Fotografie hat  zwar auch in der Landeshauptstadt studiert, ist aber nicht in die Klasse von  Bernd Becher gekommen, der an der Akademie lehrte. In der jährlichen Ausstellung  "Brauhausfotografie" zeigt Judith Samen, wie auch alle ihre  Studenten, eine aktuelle Arbeit. "Sie sollen eigene Wege gehen", sagt  sie über ihre Schüler. Das will sie durch intensive Gespräche über Bildwirkung  und Konzeption unterstützen.
 
 Melancholie und Humor sind überall. Man muss sie nur findenund festhalten: Henner Papies’ Fotoarbeit „taiji”.
 Es wirkt. Die Studenten haben sehr  unterschiedliche Stile und Themen entwickelt. Stephan Hütter posiert nackt über  einem gebogenen Spiegelfläche, so dass sich sein Körper verzerrt und aussieht,  als hätte ihn Francis Bacon gemalt. Marcus Brambach hat sein Zitat in der  Öffentlichkeit gefunden. Für das Foto "Sieben" fotografierte er eine  Bushaltestelle, die mit ihren quadratischen, blau-weißen Farbflächen an ein  Bild von Piet Mondrian erinnert. Kunst kommt nicht von können. Kunst heißt,  etwas zu finden. Oder wie Judith Samen es sagt: "Ich will den Studenten  bewusstes Sehen und Bildkompetenz vermitteln."Auch Henner Papies hat sein Bild gefunden und  nicht inszeniert. Für "taiji" fotografierte er das China-Restaurant  "Glücks-Garten", in dessen Vorgarten jedoch kein Glück zu finden ist.  Wo Gras wachsen sollte, ist eine Baustelle. Melancholie und Humor sind eben  überall. Man muss sie nur finden und festhalten.
 Aber die Studenten interessiert nicht nur  bewusstes Sehen sondern auch bewusste Manipulation. Den Dreh von Bianca Wagners  Bild versteht nur der aufmerksame Beobachter. Oder man hat das Glück, ein  Gespräch zu belauschen. "Schau mal", sagt eine Besucherin zu einem  jungen Mann. "Sie hat das Bild einfach gespiegelt und dort die Bank  wegretuschiert." In der digitalen Welt ist es nicht schwer, der Bildlüge  auf den Leim zu gehen.
 Eine ungewöhnliche Arbeit zeigt auch Julia  Ruttmann. Für ihre Foto-Installation hat sie eine blaue Bettdecke fotografiert,  das Bild auf eine Metallhalterung aufgezogen und winzige Männchen auf einem  kleinen Absatz davor posiert. "Welch eine Perspektive!" heißt die  Arbeit und zeigt mit einfachen, analogen Mitteln, wie dem Betrachter eine neuer  Blickwinkel angeboten werden kann, der selbst eine banale Bettdecke zum  wogenden Bildereignis werden lässt.
 Wie jedes Jahr ist auch dieses Mal ein  Gastkünstler in der Ausstellung zu sehen. Das Bild von Zeichner und Fotograf  Gerald Domenig zeigt eine geknickte Graubrotscheibe, die durch die Inszenierung  des Künstlers karge Schönheit ausstrahlt, als suche der Zeichner auch in der  fotografischen Arbeit die klare Form.
 "Braushausfotografie 16" ist eine  spannende Ausstellung, die Kreativität und Humor der angehenden Lehrer zeigt.  Wenn diese Männer und Frauen auf unsere Kinder losgelassen werden, muss man sich  um deren Zukunft nicht allzuviel Sorgen machen.
   
 Artikel als PDF-Datei © Westfalenpost, 22. November 2007 
 
 | Inhalt Heute denken – morgen fertigDer HBK-Rundgang ist  wieder ein wunderbares Schaulaufen der Kunst und des Designs
 Über Retter ohne ZielChristian  Sievers setzt im Kunstverein Wolfenbüttel einer Sicherheits-Paranoia Komik  entgegen
 Schmerzende GrenzüberschreitungenDie Bilder von Hanna  Nitsch im Kunstverein Wolfenbüttel verstören
 Parallele  Welt: Und die Tiere sind ganz ruhigAusstellung "In parallelen Welten" im Museum für Gegenwartskunst, Siegen
 Im  Glücks-Garten wächst kein Gras mehrLehramtsstudenten aller Jahrgänge stellen  im Ateliergebäude "Brauhaus" Fotoarbeiten aus / Panoptikum der Stile  und Themen
 Napoleon hat 
            einen gebrochenen Arm aus Plastik(::: taz :::)
 Kunst für 
              die LesebrilleIm Kunstverein werden Künstler prämiert, 
            die Kunst verschwinden lassen
 Prinzessinnen 
              auf weißen RössernDer Kunstverein lässt zwei 
            Künstlerinnen für vier Wochen in Hildesheim residieren
 Die Poesie ist 
              rundDie Ausstellung "Weltsprache Fußball"
 (::: taz :::)
 Archaische Maschinen 
              für einfache HandlungenDie projizierenden Skulpturen 
      von Thomas Bartels
 
 | 
     
      | Napoleon 
        hat
        einen
        gebrochenenArm aus Plastik
 Ein Mann steht in einem 
            brennenden Haus am Fenster und blickt zu den Feuerwehrmännern hinunter, 
            die ein Sprungtuch aufhalten. Im Hintergrund hat der Sender "TVI" 
          seine Kameras aufgebaut. Nur Gaffer gibt es keine.In der Nähe befreit ein Pärchen in einem Sportwagen einen Freund 
            aus dem Polizeigefängnis. Sie schaffen das, weil die Beamten auch 
            Träumer in ihren Reihen haben. Drei Polizisten stehen in voller Montur 
            und mit Schutzschildern etwas abseits und schauen gedankenverloren einen 
            Waldbrand an.
 "Neue Helden - Feuerwehr und Polizei" heißt eine der Vitrinen, 
            in denen im Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum Playmobilwelten 
            aufgebaut worden sind. Etwa 5500 Figuren setzten die Mitarbeiter in mühsamer 
            Kleinarbeit zu liebevollen Szenen zusammen.
 Zu einem Großteil wurden extra neue Vitrinen in einer Höhe 
            von 53 Zentimetern gebaut - für die Kinder. Die Ausstellung macht 
            nicht in Ansätzen den Anschein, die Messe eines Giganten der Spielwarenindustrie 
            (Playmobils Marktanteil bei Spielwaren in Deutschland liegt bei 8,4 Prozent) 
            zu sein. Kuratorin Margrid Schiewek-Giesel und Direktorin Katja Lembke 
            sind der Aufgabe eines Museums nachgekommen und haben die Plastikwelten 
            vorsichtig pädagogisch und historisch untermauert. So wird etwa in 
            einer Villa die Kinderarbeit um 1900 thematisiert und auf einem Hinweisschild 
            mit einem Suchspiel verbunden: Kannst Du den Jungen sehen, der keine Zeit 
            hat, zu spielen?
 Das Prinzip, Playmobilfiguren als Initialzündung für kindliche 
            Wissensprozesse einzusetzen, wird auch mit drei Vitrinen in die archäologischen 
            Dauerausstellungen des Hauses überführt. Da findet sich etwa 
            in der Abteilung "Frühe Menschheit" eine Playmobil-Arche-Noah. 
            Lembke nennt das: "Weltspielzeug meets Weltmuseum". Playmobil 
            gehöre eben schon zur Kulturgeschichte.
 Mitarbeiter Matthias Wiedenlübbert arbeitet daran, einen Teil der 
            napoleonischen Armee zu rekonstruieren. Was da aufgereiht in den Vitrinen 
            steht, ist wahrlich eine militärische Masse. Einschließlich 
            einem blutigen Lazarett und Napoleon, dem Wiedenlübbert extra den 
            gelenklosen, rechten Arm brechen musste, damit er ihn angewinkelt wieder 
          ankleben konnte.
 taz Nord, 7.3.2006 
          # TAZ #  
 
 Im Kunstverein werden 
          Künstler prämiert,die Kunst verschwinden lassen
 Man hört leichtes 
            Stöhnen beim Gang durch den Kehrwiederturm. „Ich habe meine 
            Lesebrille vergessen“, sagt ein Besucher. Ein anderer meint zu den 
            Textmassen an den Wänden: „Das erschlägt dich.“„Entsorgungspark für funktionslose Kunst im öffentlichen 
            Raum“ hieß der Wettbewerb, den der Hildesheimer Kunstverein 
            in Kooperation mit der Fakultät Architektur und Landschaft der Universität 
            Hannover und der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig 
            veranstaltet hatte. Die Teilnehmer sollten der Frage nachgehen, welche 
            Berechtigung Kunst im öffentlichen Raum hat. Gibt es eine Halbwertszeit 
            der Kunst und wie verändert sich die Rezeption eines Kunstwerkes, 
            wenn sich die Gesellschaft verändert?
 In der Ausstellung werden neben den fünf platzierten Preisträgern 
            zusätzlich viele andere der insgesamt 45 eingereichten Arbeiten gezeigt. 
            Das bedeutet, die Wände des Kunstverein sind mit engbedruckten Seiten 
            gepflastert. Konzeptkunst bedeutet Arbeit für den Betrachter. Visuell 
            muss die Kunst meist im Kopf geschaffen werden.
 Es überzeugen dann vor allem Konzepte, die einfach aber bestechend 
            sind. Zu Recht wurden die Architekten Nils Nolting und Arne Hansen mit 
            dem 1. Preis ausgezeichnet. In ihrem Konzept werden öffentliche Kunstwerke 
            einen Sommer lang unter einem Sandberg begraben. Die Bürger haben 
            die Möglichkeit zu entscheiden, welche Kunst sie sehen wollen. Sie 
            müssen mit Schaufeln, Eimern oder auch Baggern die beerdigte Kunst 
            ins Leben zurückholen. Gleichzeitig kann aber auch der „Kampf 
            um die Kunst“ entstehen, wie die Macher sagen. Denn Gegner eines 
            bestimmten Werkes dürfen den Sand auch wieder zurückschaufeln. 
            Es heißt also: Einsatz!
 Was nach drei Monaten nicht zu zwei Dritteln ausgegraben ist, wird in 
        einer Sandkuhle verscharrt und damit entsorgt. Die Jury fand den Gedanken 
        der Basisdemokratie spannend. Der Entwurf holt die elitäre Diskussion 
          „Was ist Kunst?“ auf die Straße und stellt den Bürgern 
            die Frage. Jetzt muss sich zeigen, welche Kunst das Leben bereichert oder 
          überhaupt mit dem Leben zu tun hat.
 Auf den computermanipulierten Beispielbildern wird deutlich, dass die 
          Künstler einen interaktiven Christo schaffen. Denn was Christo mit 
            dem Verpacken des Reichstages erreicht, ein Objekt durch die Verhüllung 
            hervorzuheben, dass schaffen Nolting und Hansen auch, wenn sie in Hannover 
            eine Nana unter Sand vergraben.
 Brigitte Raabes und Michael Stephans Konzept lässt dagegen die Kunstwerke 
            (fast) unangetastet. Sie haben homöopathische Mittelchen aus Kunstwerken 
            hergestellt. Der Rezipient kann das Werk also aufnehmen, es erfährt 
            in ihm eine Wirkungsausweitung. Auch wenn die beiden auf die wissenschaftliche 
            Herstellung des Mittels verweisen, ist gewiss eine Portion Ironie im Spiel. 
            Raabe und Stephan bekamen den 2. Preis.
 Der 5. Platz, der wie der 4. gar nicht mehr dotiert war, wird von der 
        Jury hervorgehoben, weil es bis zum Schluss Diskussionen über die 
            Preisträger gab. Nadja Susemichel und Alexander Henschel zeigen in 
            ihrer Arbeit einen umgekehrten Duchamp. Hatte Duchamp ein Pissoir noch 
            zur Fontäne erklärt und ins Museum gehängt, fotografieren 
            die beiden Künstler den „Pokorny“-Obelisken in der Fußgängerzone 
            und bieten ihn im Heißen Draht als Boje zum Verkauf an. Kunst wird 
            eine neue Bedeutung zugeschrieben und in einen scheinbar sinnvollen Zustand 
          überführt. Susemichel und Henschel wussten nichts von der kulturpolitischen 
            Diskussion um die Skulpturen und haben trotzdem dem Ganzen eine interessante 
            Facette hinzugefügt.
 Wer mit Lesebrille, Zeit und Offenheit für konzeptuelle Kunst den 
            Kunstverein besichtigt, dem bietet die Ausstellung viel. Die fehlende 
            Sinnlichkeit der Ideen-Kunst wird durch die intelligenten Konzepte wett 
            gemacht. Und wer einmal hinter eine Idee gekommen ist, den lässt 
          sie so schnell nicht wieder los.
 Aus der Hildesheimer 
          Allgemeinen Zeitung, November 2005 
 
 Prinzessinnen 
          auf
          weißen Rössern  Der 
            Kunstverein lässt zwei Künstlerinnenfür vier Wochen in 
          Hildesheim residieren
 Es war ein ganz demokratischer 
            Prozess. Etwa 50 Hildesheimer wählten im letzten Monat aus sechs 
            vorgeschlagenen Künstlern zwei aus. Jetzt sind sie da. Motoko Dobashi 
            aus München und Özlem Sulak aus Istanbul. Die beiden werden 
            für vier Wochen in Hildesheim leben und eigens für den Kunstverein 
            Arbeiten schaffen.Auch die Stadt begrüßt die Künstlerinnen in Form von Kulturdezernentin 
            Dr. Annamaria Geiger. Sie betont, dass die Kunst den interkulturellen 
            Dialog fördern würde. Was so oft als Plattitüde daherkommt, 
            könnte diesmal wirklich mit Inhalt gefüllt werden.
 Obwohl sie sich im Detail noch nicht festlegen will, möchte Özlem 
            Sulak eine Arbeit über ihren Blick auf Hildesheim schaffen. Der Betrachter 
            soll am Ende sehen, wie sie sich in dieser Stadt fühlt.
 Gerade fühlt sich die 25-Jährige hier in Hildesheim wie im Himmel. 
            Von der 30-Millionenmetropole Istanbul nach Hildesheim zu kommen, sei 
          „schockierend“. Aus dem Chaos in eine Märchenstadt, in 
            der nur noch die Prinzessinnen und die weißen Pferde fehlen würden.
 Aber vielleicht verschiebt sich ihr Fokus noch einmal komplett. Das sei 
        das Tolle daran, ein „Artist in residence“ zu sein. Es ist 
            Zeit, verschiedene Wege zu verfolgen und offen zu bleiben, bevor Entscheidungen 
            getroffen werden.
 Die in München lebende Japanerin Motoko Dobashi steht ebenso im Dialog. 
            Mit Hildesheim, japanischen Traditionen und natürlich sich selbst. 
            Die 29-jährige Künstlerin arbeitet vor allem grafisch und produziert 
            großformatige Wandmalereien. Die Pop-Art hat sie genauso beeinflusst 
            wie Comics und die traditionelle japanische Wandmalerei.
 Was sie in ihrer Serie „Deutschlandschaft“ begonnen hat, wird 
            sie in Hildesheim weiterführen. Landschaftsforschung. Sie gibt sich 
            etwa eine Woche Zeit, um auf ihrem geliehenen Fahrrad Eindrücke zu 
            sammeln. Dobashi macht Skizzen, die sie einscannt und am Computer verändert. 
            Am Ende zeichnet sie ihre Arbeit direkt auf die Wände der Ausstellungsräume. 
            Dabei geht es ihr nicht um die bloße Abbildung der Natur. „Wenn 
            sich ein gerader Baum für mich schief anfühlt, zeichne ich den 
            dann später auch schief.“
 Da es an diesem Tag aber noch keine schiefen Bäume und Prinzessinnen 
            zu sehen gibt, lädt Thomas Kaestle, Kurator des Hildesheimer Kunstvereins, 
            die Gäste zum Grillen ein. Dazu sagt er, man könne ja die Künstlerinnen 
          angucken. Oder mit ihnen sprechen.
 Aus der Hildesheimer 
          Allgemeinen Zeitung, Juli 2005 
 
 Die 
            Ausstellung "Weltsprache Fußball" im Braunschweiger Museum 
          für Photographie präsentiert Bilder,
          die zeigen: Fotografierter 
          Fußball muss nicht nur Sport bedeuten.
          Auch Politik und Poesie lassen 
          sich über den Fußball ins Bild setzen. Fußball ist mehr 
            als ein Spiel. Wahrscheinlich gibt es nichts Universelleres. Spätestens 
            2006 werden die Massen in Deutschland wieder vor den Videoleinwänden 
            stehen und sich nach Toren in die Arme fallen. Und im besten Fall ist 
            es egal, wem man da in die Arme fällt: Nach dem WM-Finale 2002 feierten 
            nicht selten deutsche und brasilianische Fans zusammen, obwohl es nur 
            einen Sieger gab.Auf grenzüberschreitende Begeisterung trifft man immer wieder in 
            der Ausstellung "Weltsprache Fußball", die derzeit im 
            Museum für Photographie in Braunschweig zu sehen ist. Konzipiert 
            wurde die Schau vom Goethe-Institut in Zusammenarbeit mit Magnum Photos, 
            jener Agentur, die 1947 von Henri Cartier-Bresson, Robert Capa und David 
            Seymour gegründet wurde. In den Magnum-Archiven haben die Ausstellungsmacher 
            etwa 4.000 Bilder gefunden, bei denen Fußball eine Rolle spielt. 
            Das Reizvolle an den Magnum-Bildern: Der Blick auf den Fußball ist 
            ein besonderer. Denn es gibt wenige Fotos, die zu einer Überschrift 
            wie "Bayern München muss gegen Werder Bremen desaströse 
            Niederlage einstecken" passen würden.
 In Braunschweig - übrigens heißt es, hier wurde vor 130 Jahren 
            in Deutschland zum ersten Mal Fußball gespielt - werden die 50 Bilder 
            in lockerer thematischer Gliederung präsentiert: Es gibt beispielsweise 
            einen Raum mit Fans, einen mit Toren und einen mit einer Art Ländervergleich.
 Der Fotograf Thomas Dworzak, gebürtiger Münchner mit Wohnsitz 
            New York, zeigt auf seinem Bild spielende Männern aus Afghanistan. 
            Das Foto entstand 2001, die Taliban beherrschten noch das Land und im 
            Stadion von Kabul wurden Menschen exekutiert. Fußball durfte dort 
            natürlich nicht gespielt werden. Auf Dworzaks Bild spielen die Menschen 
            trotzdem: Irgendwo auf einer Wiese mit einem mächtigen Berg im Hintergrund 
            und einer Frau im Bild, die verhüllt im Kaftan die Szene durchschreitet.
 Gleich daneben ein Foto aus dem Iran, gemacht von dem Fotografen Abbas. 
        Schaut man auf die Gesichter und Körperhaltung der iranischen Mädchen, 
            ist da zwar ein Lächeln zu erkennen, aber keine wirkliche Entspannung. 
            Beide Aufnahmen, obwohl durchaus ästhetisch interessant, bekommen 
            ihre Qualität durch den Verweis auf das Außen, auf die politischen 
            Realitäten jenseits des Spielfelds.
 Im Raum der Fanansichten geht es vor allem um Gesichter und Rücken. 
            Die Gesichter: angespannt oder enthemmt im Jubel. Die Rückenansichten 
            dagegen zeugen von Konzentration. Wenn die Fans dann noch kambodschanische 
            Mönche sind, die auf einer verwitterten Steintribüne sitzen, 
            bekommt das Bild wieder einen doppelten Boden.
 Aber auch Erdiges in Gestalt eines Schalke-Fans findet seinen Platz. Im 
        Bild von Thomas Hoepker liegt ein Mann in passender Vereinsbettwäsche, 
            sein Schnauzbart wirkt obligatorisch und an der Wand hängen Wimpel 
            und Plakate. Ein Bild von einem Fan - bereichert allerdings durch ein 
            Kind, das der Mann im Arm hält.
 Neben der Freude am Ball werden in der Ausstellung auch kontemplative 
        Bilder gezeigt, wie die schlichten Aufnahmen von Fußball-Toren von 
            Lise Sarfati und Herbert List. Bei List hat das Tor die karge Poesie eines 
            undefinierbaren Holzgestells, das ihn nur formal interessiert hat. Sarfati 
            dagegen inszeniert das Tor im Schein des Flutlichtes als geheimnisvollen 
            Zeugen vollbrachter Taten.
 Zurück zum Spiel: Wenn Maradona in Rückenansicht die Arme in 
            einem Halbkreis in die Luft reckt, erinnert es an ein Stoßgebet 
            und mit viel Drang zu religiösen Interpretationen könnte man 
            die Bildaufteilung als Kreuz interpretieren. Maradona, Fußball, 
            Gott. Ja, es ist eine Religion, aber den Argentinier haben seine Sünden 
          nicht ans Kreuz gebracht. Sie machten ihn nur schwer und langsam.
 Aus der taz Nord, 
          März 2005. # TAZ #  
 
 Archaische 
          Maschinenfür einfache Handlungen
 Der 
            Kunstverein Hildesheim zeigt im Kehrwiederturmdie projizierenden Skulpturen 
          von Thomas Bartels
 Kurz vor der Eröffnung 
            führt Thomas Bartels eine junge Frau durch die Ausstellung. Sie wird 
            später die Aufsicht übernehmen. In der dritten Etage stehen 
            die beiden neben dem ratternden Zahnrad der „Zeitmaschine“ 
          und Bartels erklärt: „Wenn das stehen bleibt, geben sie ihm 
            einfach einen Schubs. Dann läuft es wieder.“ Schweizer Uhrenmacher 
            würden den Braunschweiger Künstler sicherlich nicht in ihre 
            Reihen aufnehmen, Feinmechanik ist nicht sein Gebiet. Er nennt seine Arbeitsweise 
          „afrikanische Technik“ und werkelt lieber mit Feilen, Sägen 
            und einem Schraubstock.Bartels baut archaische Maschinen, denen man auf den ersten Blick nicht 
        zutraut, Bilder zu projizieren. Sie rattern, tuckern und knarren. Die 
        Projektionen sind filmische Endlosschleifen von grafisch extrem reduzierten 
        und simple Handlungen vollführenden Figuren. In „Ikiliikkuja“, 
            das finnische Wort für Perpetuum mobile, stehen sich zwei Männer 
            gegenüber und trinken abwechselt eine Flasche leer. Die „Zeitmaschine“ 
          zeigt eine Gehstudie in einer Art Muybridge-Verbeugung und im obersten 
          Stock lädt der „Äquator“ zu einer projizierten Reise 
            entlang des nullten Breitengrades ein.
 Dieser höchste Raum mit dem „Äquator“ ist gleichzeitig 
            ein kontemplativer Ruhepol nach dem Aufstieg im Kehrwiederturm. Dort ist 
            es plötzlich still, sanft dreht sich eine Art entschlackter Globus 
            mit einer Lampe als Zentrum und wirft Diabilder aus einem Atlas an die 
            Wand. Kongo knapp über dem Fußboden, Zaire kurz unter der Decke 
            und immer wieder unendliche Wasserflächen. Und nicht nur die Projektion 
            ist Teil der Installation, sondern ebenso das Streulicht, die Besucher 
            mit ihrem eigenen Schatten und eine Motte, die auf dem Diastreifen eine 
            Flugpause macht. Der „Äquator“ steht auf feingliedrigen 
            Beinen, an deren Enden Glühbirnen als Füße befestigt sind. 
            Als würde die Welt nur von zerbrechlichem Licht getragen werden.
 Die vielen Details einer Arbeit wie „Äquator“ erfordern 
            mehr Zeit als eine hastige Durchschau. Da wird selbst ein Lot zum Fixpunkt 
            des Interesses.
 Um zur Ruhe zu kommen, hilft vielleicht ein Tee. In der Ecke im Eingangbereich 
          tuckert ein Samowar, den Bartels mitgebracht hat.
 Der 45-Jährige ist eine Mischung aus Rebecca Horn, Jean Tinguely 
            und Leonardo da Vinci. Ein Bastler, Spieler und Ausprobierer. Seine Arbeit 
            sei „altmodisch“ wird dem Künstler immer wieder gesagt. 
            Ihm sei das jedoch egal, er liebt die haptische Herangehensweise. Pappen 
            ausschneiden, auf Leitern klettern und sich für die Aufnahmen nackt 
            ausziehen, damit auch ja nichts ablenkt.
 Für die Projektionen arbeitet Bartels fast immer auf 35mm-Filmmaterial 
            und ausschließlich mit analogen Geräten und Tricktechniken. 
            Er ist ein Fleißarbeiter. In der „Zeitmaschine“ dreht 
            sich der Projektor auf einem überdimensionalen Zahnrad und trotzdem 
            geht die Figur im Film aufrecht. Bartels hat den Gehenden in unterschiedlichen 
            Lagen gefilmt, so dass die Drehung des Rades kompensiert wird. Aber mit 
            diesem Aufwand buhlt Bartels nicht, hinter die Details kommt nur der Betrachter, 
            der Aufmerksamkeit und Zeit mitbringt.
 Als es stiller in den Räumen ist, fällt plötzlich auf, 
          dass die Zeitmaschine schweigt. Es wird Zeit für einen kleinen Schubser.
 Aus der Hildesheimer 
          Allgemeinen Zeitung, März 2005. 
 
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