Alle Beiträge von Tim Meyer

Am Rande einer Stadt

HILDESHEIM. SOMMER 2006. In einer Stadt. Aus einer Stadt hinaus. Hildesheim. Historisch, zerbombt, wieder aufgebaut. Was befindet sich an der Peripherie einer Großstadt, die mit ihren 101786 Einwohnern auf Platz 79 von 81 Großstädten in Deutschland steht? Knapp 4000 Hildesheimer weniger als noch vor 10 Jahren. Ziehen noch einmal 2000 weg, wird aus dem Großstädtchen eine Kleinstadt. Hinter dem Bahnhof geht die Wanderung los. Im Uhrzeigersinn einmal rundherum.

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Erika Rabau: Ich bin ein Du

Seit 30 Jahren fotografiert Erika Rabau bei Berlinale und Theatertreffen.

Der Papst lässt nicht mehr jeden ran. Die Privataudienzen wurden beschränkt. Unter dem Rang eines Staatspräsidenten ist nicht mehr viel möglich. Eine Verabredung mit Erika Rabau zu bekommen, gestaltet sich anders, aber ähnlich schwierig. Die erste Hürde ist, einen ruhigen Moment zu erwischen. Seit ihrem Hüftbruch humpelt sie zwar, aber weglaufen oder besser: hinlaufen, wo sich gerade wieder etwas zum Abschießen bietet, kann sie immer noch. Steht man ihr dann doch gegenüber, stellt sie zuerst eine Sache klar: „Das Sie kannst du dir gleich abschminken. Ich bin ein Du.“ Es ist wichtig zu wissen, dass Erika ein Gespräch so beginnt – genau so. Bereits in den ersten fünf Minuten muss eine Entscheidung getroffen werden. Entweder hat man sie gern – oder man findet sie einfach nur nervig.

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Ein Drama der Stimmen

„Der Kick“ als Hörspiel. Ein Theaterbesuch mit einem Blinden.

„Ich bin der Mann mit dem weißen Stock.“ Schon bei unserem ersten Telefonat macht sich Jonas über meine Frage lustig, wie ich ihn denn erkennen werde. Wir wollen uns für ein Experiment treffen. Natürlich gibt es Berührungsängste. Er taucht aus der S-Bahn auf, wir begrüßen uns, gehen los. Sachte, behutsam berührt er meinen Arm. Jonas ist blind, und wir besuchen gemeinsam „Der Kick“.

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Siamesische Zwillinge mit einer Seele

Jens Lekman, Mai 2006, „Privatclub“ Berlin. Ein Abend für die Tiefkühltruhe. Einfrieren, aufbewahren.

Das ist doch dekadent! Sechs bildhübsche Frauen stellt sich der 25-jährige Mann auf die Bühne. Die hängen an seinen Lippen, achten auf jede Handbewegung. Eine Art Robert-Palmer-Gedächtnisauftritt – Addicted To Women. Nur mit dem Unterschied, dass diese Frauen keine Models sondern einfach gute Musikerinnen sind. Auf die Frage, warum er ausschließlich mit Frauen arbeite, antwortet Jens Lekman mit einem verständnislosen Blick: „Es waren die besten Musiker, die ich finden konnte.“

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Glasnost des Theaters

Bei der „Intemporale24“ machen 40 Studenten ein soziales Experiment und bringen in 24 Stunden ein Theaterstück auf die Bühne

Christoph Schlingensief hat mal vom „Scheitern als Chance“ gesprochen. In den Interviews auf der Webseite von „Intemporale24“ sprechen auch viele der Beteiligten vom Scheitern. Die meisten meinen das positiv oder haben zumindest keine Angst davor. Es ist der Prozess, der zählt. Ein soziales Experiment, eine Grenzerfahrung.

Außer den Räumlichkeiten, die drei Etagen der ehemaligen Bernward-Buchhandlung am Hohen Weg, und 40 Personen, die sich in 15 Gruppen aufteilen, ist erstmal nichts da. Am Freitag um 20 Uhr wird ein Thema ausgelost und 24 Stunden später soll es die Premiere des Stückes geben. Dramatiker werden am Laptop sitzen, eine Bühne wird gebaut, Schauspieler müssen ihre Rollen finden und die Regisseure sollen alles in eine Form bringen. Haben sich hier also 40 Studenten zum fröhlichen Scheitern zusammengefunden?
Weit gefehlt. Um 20 Uhr sind es arbeitswütige Enthusiasten, die gespannt warten, welches der fünf Themen gezogen wird. Keine Angst, zu scheitern. Keine Angst vor dem Schlafentzug.

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