Jens Lekman, Mai 2006, „Privatclub“ Berlin. Ein Abend für die Tiefkühltruhe. Einfrieren, aufbewahren.
Das ist doch dekadent! Sechs bildhübsche Frauen stellt sich der 25-jährige Mann auf die Bühne. Die hängen an seinen Lippen, achten auf jede Handbewegung. Eine Art Robert-Palmer-Gedächtnisauftritt – Addicted To Women. Nur mit dem Unterschied, dass diese Frauen keine Models sondern einfach gute Musikerinnen sind. Auf die Frage, warum er ausschließlich mit Frauen arbeite, antwortet Jens Lekman mit einem verständnislosen Blick: „Es waren die besten Musiker, die ich finden konnte.“
Das stimmt natürlich nicht, was der Schwede da nach dem Konzert im Privatclub erklärt. Es war sicher eine bewusste Entscheidung. Frauen musizieren einfach anders und das ist gerade dem Minimal-Opulenz-Pop des Schweden dienlich. Die Band besteht aus drei Bläserinnen, Bassistin, Keyboarderin und Schlagzeugerin. Und alle beweisen, dass Egomanie der weiblichen Musikerseele fremd ist. Sie spielen für den Song.
Morrissey und The Magnetic Fields werden immer wieder als Referenzen für Lekman in der Presse angeführt. Viel treffender ist jedoch der Vergleich mit Sufjan Stevens. Mit geringsten Mitteln schaffen es beide, in ihren Songs eine erschreckend dichte und trotzdem leichtfüßige Komplexität zu erzeugen. Diese musikalische Intelligenz in solch jungen Jahren verweist auf Großes in der Zukunft.
Jens Lekmans Band schafft luftige Freiräume, Melodien bekommen Präsenz und es entsteht immer wieder ergreifend schöne Dynamik. Schon beim zweiten Lied erreichen sie eine Intensitätsebene, die Tränen des Glücks in die Augen treiben. Es gibt sie eben doch noch, die großen Momente in der Musik.
In einer Art Mantra singt Lekman immer wieder: „We all gonna die, we don’t know how, we don’t know when“. Aber diese Erkenntnis trägt er nicht in geduckter Depressivität vor sondern mit fulminantem, fröhlichem Pathos. Eine morbid, orchestrale Feier der Gewissheit der eigenen Endlichkeit. Seelsorge mit Humor.
Lekman wechselt zwischen Ukulele und E-Gitarre hin und her. Allein das erzählt schon viel über seine Musik. Beschränkungen gibt es nicht. Die wahre Idee des Pop – also große Melodien und der Anspruch das Publikum zu überwältigen – und unmittelbarer Lo-Fi-Indie-Sound verschmelzen hier zu siamesischen Zwillingen, die zwar zwei Köpfe aber eine gemeinsame Seele haben.
Lekman, der Gegner von CDs mit Albumlänge und Verfechter der EP, spielt noch großartige Songs wie „You Are The Light“, „Happy Birthday, Dear Friend Lisa“ oder „Julie“. Lange ist der junge Mann noch nicht im Geschäft, aber seine Songs klangen schon immer wie Klassiker. Irgendwie aus der Zeit gefallen.
Ein Vorwurf ist dem Göteborger leider zu machen. Nach nur einer Stunde startet Lekman seinen I-Pod und gesellt sich zum Tanzen ins Publikum. Um ihn und dem Wahl-Berliner Erlend Øye bildet sich sofort eine kleine Traube. Ja, das Indie-Publikum vergöttert seine Stars genauso wie die Boulevardliebhaber ihre Könige. Øye, der King of Convenience, eröffnete übrigens spontan für seinen Freund Jens. Mit einer selten blöden, großglasigen Brille schlumpfte er auf die Bühne und spielte sich etwas zu kokett ratlos durch einige Coversongs. Aber bei Musikern mit seiner Qualität ist selbst das Hingerotzte immer noch schön.